Das amerikanische Wahlsystem wirkt für viele Europäer komplex und schwer durchschaubar. Begriffe wie „Wahlmänner“, „Swing-States“ oder „Vorwahlen“ sorgen oft für Verwirrung, da es in europäischen Wahlsystemen kein vergleichbaren Elemente gibt. Gleichzeitig beeinflussen die US-Wahlen nicht nur die nationale Politik, sondern haben auch internationale Auswirkungen – ein Grund mehr, das System besser zu verstehen.
Wie das amerikanische Wahlsystem entstand
Der Ursprung des amerikanischen Wahlsystems geht auf die Verfassungskonvention im Jahr 1787 zurück. Die Idee des “Electoral College”, über welches die Macht zwischen Volk, Bundesstaaten und Regierung ausbalanciert war, wurde hier geboren. Durch ein indirektes Wahlsystem für den Präsidenten wollte man eine zentrale Regierungsmacht schaffen, die nicht vollständig von der Volksmeinung abhängig war. Hierdurch sollte verhindert werden, dass populistische Strömungen und (aus damaliger Sicht) unqualifizierte Kandidaten an die Macht kamen. Alexander Hamilton beispielsweise sah das System als Möglichkeit, politische Eliten in den Entscheidungsprozess einzubinden.
Benjamin Franklin wiederum setzte sich dafür ein, einen Ausgleich zwischen großen und kleinen Staaten zu finden. Die Mehrheit der Teilnehmer der Verfassungskonvention waren sich darin einig, dass eine direkte Wahl die Regierung instabil machen könnte und lehnten dies daher ab. Das Wahlmann-System (Electoral College) wurde daher als Kompromisslösung geschaffen.
Seit 1787 gab es noch einige Änderungen am Wahlsystem. Zu Beginn waren lediglich weiße, männliche Personen, die auch über Landbesitz verfügten wahlberechtigt. 1870 wurde die Rassendiskriminierung im Wahlrecht abgeschafft, Frauen durften jedoch erstmals im Jahr 1920 wählen gehen. 1965 wurde zusätzlich ein Schutz von Minderheiten vor Diskriminierung im Wahlrecht verankert. Die letzte bedeutende Änderung im Wahlrecht fand 1971 statt, in diesem Jahr wurde das Wahlalter auf 18 Jahre gesenkt.
Im Unterschied zu Deutschland oder Österreich sind nicht automatisch alle Staatsbürger auch wahlberechtigt. Um an einer Wahl teilnehmen zu können, muss man nicht nur die US-Staatsbürgerschaft besitzen und über 18 Jahre alt sein, sondern sich extra noch in seinem Wahlkreis als Wähler registrieren. Zieht man z.B. von einem Bundesstaat in einen anderen um, muss man sich erneut für die Wahl registrieren.
Wie ist das amerikanische Regierungssystem aufgebaut?
Die amerikanische Regierung, auch Kongress genannt, besteht aus zwei Kammern: dem Senat und dem Repräsentantenhaus. Der Senat hat eine stärkere Rolle bei der Bestätigung von Nominierungen und der Außenpolitik während das Repräsentantenhaus näher an der Bevölkerung ist und eine Schlüsselrolle bei der Haushalts- und Steuerpolitik spielt. Beide Kammern haben ihre Sitzungssäle im US Capitol.
Senat
In den Senat entsendet jeder Bundesstaat 2 Senatoren, unabhängig von der Größe oder Bevölkerungsanzahl des Bundesstaates. Gewählt werden Senatoren die von den Parteien vorgeschlagenen Kandidaten in einer direkten Wahl, an der alle im jeweiligen Bundesstaat lebenden wahlberechtigten Personen teilnehmen können. Bei dieser Wahl zählen die relativen Stimmen, eine absolute Mehrheit ist bei der Senatorenwahl nicht notwendig.
Ein Senator wird für eine Amtszeit von 6 Jahren gewählt, jedoch findet alle 2 Jahre ein Wechsel von einem Drittel der Senatoren statt. Das soll ein möglichst stabiles System gewährleisten.
Der Senat ist nicht nur maßgeblich an der Gesetzgebung beteiligt, auch hohe Bundesämter wie z.B. Minister, Richter des Obersten Gerichtshofs und Botschafter aber auch Leiter von FBI und CIA müssen vom Senat bestätigt werden. Auch internationale Verträgen und Vereinbarungen, die der Präsident trifft, müssen vom Senat mit einer Zweidrittelmehrheit bestätigt werden. Dadurch ist es für den Präsidenten von Vorteil, wenn möglichst viele Senatoren seiner eigenen Partei angehören.
Der Senat hat das Recht, die Politik der Exekutive zu überprüfen und dem Präsidenten Rückmeldungen oder Bedingungen aufzuerlegen. Obwohl der Präsident Oberbefehlshaber der Streitkräfte ist, überprüft der Senat militärische Strategien und Einsätze durch Anhörungen und Gesetzgebung.
Repräsentantenhaus
Das Repräsentantenhaus besteht aus 435 Mitgliedern, die Anzahl der Abgeordneten ist abhängig von der Bevölkerungsanzahl des jeweiligen Bundesstaats. Wahlen für das Repräsentantenhaus finden alle 2 Jahre statt. Jeder Bundesstaat ist in so viele Wahlkreise eingeteilt wie Abgeordnete ins Repräsentantenhaus entsendet werden. Die Kandidaten für die jeweiligen Wahlkreise werden von den Parteien nominiert. Bei der Wahl gewinnt jener Kandidat, der zuerst die Mehrheit der Stimmen erreicht.
Gerrymandering
In diesem Zusammenhang muss auch das sogenannte “Gerrymandering” genannt werden. Die Grenzen der Wahlkreise werden je Bundesstaat, meist von der mehrheitlichen Partei, gezogen. Da dies die Wahlchancen einer Partei beeinflussen kann, wird es als antidemokratisch kritisiert.
Das Wort Gerrymandering setzt sich aus dem Namen des US-Politikers Elbridge Gerry und dem Wort salamander (Salamander) zusammen. Gerry ließ 1812 in Massachusetts Wahlkreisgrenzen so manipulieren, dass ein Wahlkreis die Form eines Salamanders annahm, was zur Schaffung des Begriffs führte.
Aspekt | Senat | Repräsentantenhaus |
---|---|---|
Mitgliederanzahl | 100 Senatoren (2 pro Bundesstaat) | 435 Abgeordnete (nach Bevölkerungsanteil der Bundesstaaten verteilt) |
Wahlmodus | Direktwahl, 6 Jahre Amtszeit (1/3 wird alle 2 Jahre neu gewählt) | Direktwahl, 2 Jahre Amtszeit |
Zuständigkeiten in der Gesetzgebung | Gesetzgebung, gemeinsam mit dem Repräsentantenhaus | Gesetzgebung, gemeinsam mit dem Senat |
Bestätigung von Positionen | Zustimmung zu vom Präsidenten nominierten Ministern, Richtern und Botschaftern (Advice and Consent) | Keine Rolle in der Bestätigung von Nominierungen |
Impeachment-Prozess | Führt den Prozess durch und entscheidet über Schuld oder Unschuld | Erhebt Anklage gegen Regierungsmitglieder |
Verträge | Ratifikation internationaler Verträge mit einer Zweidrittelmehrheit | Keine Zuständigkeit bei Verträgen |
Haushalt | Prüft und stimmt über vom Repräsentantenhaus vorgeschlagene Haushaltsgesetze ab | Initiierung von Haushaltsgesetzen und steuerlichen Maßnahmen |
Wahl des Präsidenten bei Stimmengleichheit | Keine Rolle | Wählt den Präsidenten, wenn kein Kandidat die Mehrheit der Wahlmännerstimmen erhält |
Fokus und Interessen | Langfristige Themen, wie Außenpolitik, Richterbestellungen, und nationale Sicherheitsfragen | Haushaltspolitik, lokale und unmittelbare Interessen der Bevölkerung |
Präsident der Kammer | Vizepräsident der USA (nur bei Stimmengleichheit stimmberechtigt) | Sprecher des Repräsentantenhauses (Speaker of the House) |
Wie funktionieren Wahlen in den USA?
Wer darf eine Stimme abgeben?
Um bei einer Wahl in den USA seine Stimme abgeben zu können, muss man ein US-Citizenship (Staatsbürgerschaft) haben. Personen mit einer Aufenthaltsberechtigung oder Green-Card sind nicht wahlberechtigt.
Zusätzlich muss man im jeweiligen Bundesstaat registriert sein, die Fristen für eine rechtzeitige Registrierung variieren von Bundesstaat zu Bundesstaat. Während in manchen die Frist bereits Wochen vor den Wahlen abläuft, gibt es wiederum andere Bundesstaaten in denen man sich noch am Wahltag für die Wahl registrieren kann. Die Aufforderung, wählen zu gehen, wird daher oft schon Wochen vor dem eigentlichen Wahltag in den Medien und auch auf Plakaten, etc. propagiert, um rechtzeitig darauf aufmerksam zu machen.
Während man in den meisten Bundesstaaten zum Zeitpunkt der Wählerregistrierung das 18. Lebensjahr vollendet haben muss, reicht es in manchen Bundesstaaten völlig aus, am Wahltag älter als 18 Jahre zu sein.
Personen, die aktuell eine Haftstrafe verbüßen oder bestimmte Vorstrafen haben bzw. in manchen Fällen noch auf Bewährung sind, dürfen ebenfalls nicht wählen gehen.
Wie laufen Wahlen in den USA ab?
Es gibt einen zentralen Wahltag, der immer auf den ersten Dienstag im November fällt. Der Umstand, dass dies ein normaler Werktag ist, führt häufig zu Kritik da besonders die berufstätige Bevölkerung schwerer an den Wahlen teilnehmen kann.
Nicht in allen Bundesstaaten wird von den Wählern zwingend eine ID (Ausweis) vor der Wahlabgabe verlangt. In vielen Fällen ist es ausreichend, einen Ausweis mit Name und Foto vorzuzeigen, dies muss jedoch kein staatlicher Ausweis sein. Strenge Regelungen wie in Österreich oder Deutschland bezüglich des Ausweises gibt es in den meisten Bundesstaaten nicht. Während Befürworter dieser Praxis argumentieren, dass dadurch die Wahlbeteiligung höher wäre gibt es auch kritische Stimmen, die auf den dadurch leichter möglichen Wahlbetrug hinweisen.
Die Stimmenabgabe erfolgt entweder über Papier-Stimmzettel oder mittels elektronischem Wahlautomaten.
In manchen, vorrangig in Wahlkreisen mit wenigen Wahllokalen kann es zu langen Wartezeiten für die Stimmenabgabe kommen. Ähnlich wie beispielsweise in Österreich gibt es allerdings auch in den USA die Möglichkeit, seine Stimme schon vor dem eigentlichen Wahltag abzugeben (Briefwahl, vorzeitige Stimmenabgabe). Um die Wahlbeteiligung positiv zu beeinflussen, erhalten alle Personen, die an der Wahl teilgenommen haben einen Sticker mit der Aufschrift “I voted”. Das soll andere Personen dazu motivieren, ebenfalls zur Stimmenabgabe zu erscheinen.
Nach Schließung der Wahllokale werden die Stimmen ausgezählt. Da die Wahllokale an der Ostküste schließen, während die Westküstenstaaten aufgrund der Zeitverschiebung noch wählen, können frühe Prognosen oder sogar vorläufige Ergebnisse aus den östlichen Staaten westliche Wähler beeinflussen.
Präsidentschaftswahlen in den USA
Präsidentschaftswahlen finden in den USA alle vier Jahre statt. Ein Kandidat kann höchstens zwei Amtsperioden in Folge gewählt werden. Die wahlberechtigten Personen eines Bundesstaats geben hier ihre Stimme entweder für den republikanischen Kandidaten ab oder für den Kandidaten der demokratischen Partei. Die Wahlmänner eines Bundesstaates können jedoch insgesamt nur eine Stimme abgeben. Diese wird über die einfache Mehrheit der Wahlstimmen der Bevölkerung ermittelt (Winner-takes-all Prinzip).
Während das Ergebnis in vielen Bundesstaaten bei vergangenen Präsidentschaftswahlen recht eindeutig und stabil war, gibt es wiederum Staaten deren Wahlausgang bei jeder Wahl anders ausfallen kann. Diese werden als sogenannte “Swing-States” bezeichnet. Im Wahlkampf konzentrieren sich die Präsidentschaftskandidaten daher vorrangig auf diese Staaten, das kann besonders am Ende der Wahlkampfsaison beobachtet werden.
20. Jänner: Inauguration Day
Die offizielle Amtsübergabe an einen neu gewählten Präsidenten findet immer am 20. Jänner des darauffolgenden Jahres statt. In der Zeit zwischen dem Wahltag und dem sog. Inauguration-Day bestellt der neu gewählte Präsident Mitglieder seines Regierungsteams und arbeitet mit dem scheidenden Präsidenten zusammen um eine möglichst reibungslose Amtsübernahme zu gewährleisten.
Die Zeremonie für die Amtsübernahme, an der auch der Vizepräsident teil nimmt, findet immer vor dem Capitol statt. Der neu gewählte Präsident schwört hier einen öffentlichen Eid:
„I do solemnly swear that I will faithfully execute the office of President of the United States, and will to the best of my ability, preserve, protect and defend the Constitution of the United States.“
Nach dem Amtseid hält der neu eingeführte Präsident traditionell eine Rede in der er seine Vision und seine Ziele für die Amtsperiode darlegt.
Warum sind US-Wahlen von globaler Bedeutung?
US-Wahlen beeinflussen nicht nur die Regierung des Landes, auch Außenpolitik und internationale Beziehungen sind davon Betroffen. Jede Administration (Regierungsteam eines Präsidenten) setzt andere Prioritäten. Während Republikaner oft auf Nationalismus und beschützende Politik setzen, legen Demokraten einen größeren Wert auf internationale Kooperation und auch Klimapolitik.
Aber auch militärische Einsätze an denen die USA als Mitglied des Verteidigungsbündnisses NATO beteiligt sind, werden von Wahlen beeinflusst. Je nach der Regierungslinie eines Präsidenten können Entscheidungen über Sanktionen oder Interventionen geopolitische Spannungen verschärfen oder entschärfen.
Die Wirtschaftspolitik der USA beeinflusst das Vertrauen der Weltgemeinschaft in den US-Dollar, der weltweit as Reserverwährung genutzt wird. Entscheidungen der amerikanischen Regierung zu Zinsen, Staatsausgaben und Schuldenpolitik wirken daher global.
Amerikanische Wahlen gelten als Vorbild für demokratische Prozesse, vor allem weil es weltweit eine der ersten modernen Demokratien war. Die Haltung der USA zu technologischen Entwicklungen aber auch dem Umgang mit Cyberangriffen / Cyberterrorismus prägt die globale Sicherheitslage. Ein umstrittenes Wahlergebnis oder antidemokratische Tendenzen (z.B. Trumps Zweifel an der Legitimität der Wahlen von 2020) können autoritäre Regimes ermutigen und junge oder instabile Demokratien negativ beeinflussen.